Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen in der Peri- und Postmenopause
(71. Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” November 2023)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause
(69. Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” November 2022)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause
(67. Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” November 2021)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause
(65. Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” November 2020)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause
63. Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” November 2019)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause
(59. Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” November 2017)
Hormone in den Wechseljahren
(LMU-Klinikum Aktuell 3/2016)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause
(55. Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” November 2015)
Anwendungsempfehlungen Hormontherapie August 2015
(Frauenarzt 08/2015)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause
(Frauenarzt 07/2011)
Empfehlungen zur Hormontherapie mit Estrogenen und
Gestagenen im Klimakterium und in der Postmenopause.
(43.
Arbeitstreffen des “Zürcher Gesprächskreises” September 2009)
Prof. M. Birkhäuser (Bern)
Prof. W. Braendle (Hamburg)
Prof. H. Kuhl (Frankfurt)
Prof. A.O. Mueck (Freiburg)
Prof. J. Neulen (Aachen)
Prof. C.J. Thaler (München)
Für die
Hormontherapie im Klimakterium und in der Postmenopause wird eine
differenzierte Indikationsstellung gefordert, die auf einer sorgfältigen
individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung beruhen soll. Als Grundlage dieser
Bewertung eignen sich vorrangig die Ergebnisse randomisierter kontrollierter
Studien (RCTs), soweit deren Untersuchungskollektive den Patientinnen in der
Praxis entsprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen sind fundierte Aussagen
über die Wirksamkeit und Risiken einer bestimmten Therapie bei Patientinnen
möglich, die in der Peri- und frühen Postmenopause wegen Hitzewallungen und
anderer klimakterischer Beschwerden ärztlichen Rat suchen. Grosse, solide
Beobachtungsstudien sind die zweite Quelle, die zur Beurteilung von Nutzen und
Risiken der HRT hinzugezogen werden darf, wenn die Studienpopulation dem zu
behandelnden Patientinnenkollektiv besser entspricht. Dennoch werden noch in
nationalen Empfehlungen zur HRT aus RCTs Schlussfolgerungen für
Patientinnengruppen gezogen, die sich hinsichtlich des Alters oder
unrealistischer Selektionskriterien von denen dieser Studien wesentlich
unterscheiden.
Sexualhormone
haben nicht nur eine essenzielle Bedeutung für die Fortpflanzung, sondern auch
für den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf-System sowie das körperliche und
seelische Wohlbefinden. Nach Ausfall der reproduktiven Ovarialfunktion kann es
daher als Folge des Estrogendefizits und von Änderungen des Endokriniums zu Störungen im Bereich des
vegetativen und zentralen Nervensystems, der allgemeinen Befindlichkeit und zu
Stoffwechselveränderungen mit möglichen Folgeerkrankungen kommen
(klimakterisches Syndrom inklusive Sexualstörungen, postmenopausale
Osteoporose, Diabetes mellitus Typ II, kardiovaskuläre Erkrankungen, Morbus
Alzheimer).
In der
WHI-Studie waren Hitzewallungen ein Ausschlusskriterium, und die teilnehmenden
Frauen unterschieden sich auch hinsichtlich anderer relevanter Kriterien von
den Patientinnen in der Praxis. Etwa 70% waren 60 Jahre und älter, 70-80% waren
übergewichtig oder adipös, 50% waren Raucherinnen und mehr als ein Drittel (48%
im CEE-Monotherapie-Arm bzw. 34% im kombinierten CEE-MPA.Arm) hatten eine
arterielle Hypertonie. Vor allem für die Gruppe der symptomatischen Frauen in
der Peri- und frühen Postmenopause liegen keine RCT’s vor, deren Population den
Charakteristika der zu behandelnden Patientinnen entspricht. Hier muss auf große
qualitativ hochstehende Beobachtungsstudien zurückgegriffen werden (z.B. die
Nurses’ Health Study), wie dies bei den Empfehlungen der internationalen
Menopausengesellschaften IMS und EMAS der Fall ist (Gompel et al. 2008, Pines et
al. 2008, Pines et al. 2007). Somit müssen für eine ausgewogene Bewertung
der Hormonersatztherapie (HRT) in der Praxis alle relevanten epidemiologischen, klinischen und experimentellen Ergebnisse herangezogen
werden. Beispielsweise zeigen die vorliegenden Daten einschliesslich der
Ergebnisse der WHI-Studie, dass der rechtzeitige Beginn einer Hormontherapie
vor Atherosklerose und Herzinfarkt schützt und die Inzidenz von Diabetes
mellitus senkt (Margolis et al. 2004). Bei adipösen Frauen bessern Estrogene die mit dem Übergewicht und Östrogenmangel verbundene Insulinresistenz und Hyperinsulinämie und reduzieren
dadurch das erhöhte Risiko des Mammakarzinoms.
Dementsprechend müssen bei der Abwägung der Vor- und Nachteile der Hormontherapie das Alter und
Körpergewicht sowie die Dauer des Estrogenmangels bzw. der zeitliche Abstand
von der Menopause berücksichtigt werden. Die für die Praxis geltenden
Indikationen und Kontraindikationen für eine HRT im Klimakterium und in der
Postmenopause haben sich nicht grundsätzlich geändert. Unsachgemässe
Darstellungen und Diskussionen führen immer wieder zur Verunsicherung und zu
Bedenken gegenüber der Anwendung von Sexualhormonen. Neue Ergebnisse sollten
erst nach sorgfältiger Analyse der zugrunde liegenden Studien und der bisher
vorhandenen Daten gewertet werden.
Bei Estrogenmangelsymptomen ist eine Hormonsubstitution aus therapeutischen Gründen indiziert; eine
langfristige Therapie kann bei individueller Indikation in Erwägung gezogen
werden. Bei Frauen > 60 Jahre findet sich unter einer HRT keine Zunahme der totalen
Mortalität, wie dies bei einem signifikanten Anstieg des Risikos von
kardiovaskulären Erkrankungen oder Karzinomen zu erwarten wäre. Im Gegenteil
scheint unter einer HRT bei jüngeren postmenopausalen Frauen (< 60 Jahre
alt, oder Beginn der HRT weniger als 10 Jahre nach der Menopause) das Risiko
der Gesamtmortalität signifikant um 30% reduziert zu sein (10 Todesfälle pro 10.000
Frauen jährlich weniger) (Rossouw et al. 2007). Die Meta-Analyse von (Salpeter et
al. (2004) bestätigt für jüngere postmenopausale Frauen unter HRT die
signifikant erniedrigte Gesamtmortalität (relatives Risiko (RR) 0.68 (Konfidenzintervall
(CI) 0,48-0,96). Bei einem späteren Beginn (Frauen > 60 Jahre) ist jedoch
die Mortalität unverändert (RR 1,03; CI 0,91-1,16; Salpeter et al. 2004) oder sogar erhöht (Altergruppe 70-79 Jahre:
16 Todesfälle mehr auf 10.000 Frauen jährlich; (Rossouw et al. 2007). Beide Quellen unterstützen die Theorie des „Window of Opportunity“ (günstiges therapeutisches Fenster bei frühem Beginn der HRT,
siehe unten).
In einem ärztlichen Gespräch sollte die Patientin ausführlich über die Auswirkungen
eines Estrogenmangels und die Möglichkeiten und Risiken einer HRT aufgeklärt
werden.
1. Klimakterische Beschwerden.
Ein Estrogenmangel verursacht bei bis zu 80% der Frauen mässig
bis stark ausgeprägte klimakterische Beschwerden, deren Maximum im Alter
zwischen 54 und 58 Jahren auftritt. (Oldenhave et al. 1993; Stadberg et al.1997). Vegetative Störungen wie Hitzewallungen, Schweissausbrüche
und Schlafstörungen lassen sich durch eine sachgerechte HRT beheben, wobei
Gestagene diese Wirkungen der Estrogene verstärken. Gleichzeitig können auch
andere Symptome (z.B. Müdigkeit, Reizbarkeit, Nervosität, depressive
Verstimmung, Störungen der Sexualität) gebessert
werden, sodass Leistungsfähigkeit und Lebensqualität erhalten bleiben.
Entsprechende Untersuchungen sind nur möglich, wenn die teilnehmenden Frauen an
diesen Symptomen leiden. RCTs wie die WHI-Studie, die dieses
Patientinnenkollektiv ausschließen, können somit zur Beurteilung nicht
herangezogen werden (Hays et al. 2003). Meist
genügen niedrigere Dosierungen, als sie vor 2002 angewandt worden sind (Birkhäuser et al. 2008, Panay et al. 2007,
Sturdee et al. 2008). Psychopharmaka haben ihre eigene Indikation; sie sind
primär nicht zur Behandlung von Beschwerden geeignet, die auf einen
Estrogenmangel zurückzuführen sind. Alternative Behandlungs-möglichkeiten, wozu
auch die Psychopharmaka gehören, müssen immer in die therapeutischen Erwägungen
einbezogen werden, sind aber in ihrer Wirksamkeit nach den meisten Studien der
HRT unterlegen (Albertazzi 2007, Nelson
et al. 2006, Kreijkamp-Kaspers et al. 2004).
2. Haut, Muskel und Gelenke.
Älterwerden und Estrogenmangel führen zu
einer Minderung des Kollagenumsatzes und der epidermalen Mitoserate sowie zu
einem Flüssigkeitsverlust der Haut bis hin zur Atrophie. Auch Muskelmasse und
-stärke nehmen ab. Estrogene fördern die Durchblutung und Rehydratisierung
vieler Organsysteme, steigern Bildung und Umsatz von Kollagen und haben dadurch
eine günstige Wirkung auf Muskeln und Gelenke. Darüber hinaus haben sie
vorteilhafte Auswirkungen auf Haut und Schleimhäute (Mund, Nase, Augen). Sie
wirken Androgenisierungserscheinungen entgegen, die wegen des Überwiegens der
Androgenwirkung bei einem Estrogenmangel auftreten können (Akne, Seborrhoe,
Hirsutismus, Haarausfall). Die Effekte auf die Haut wurden in entsprechenden
klinischen Studien nachgewiesen (Sator et
al. 2001, Brincat 2000, Castelo-Branco et al. 1998). Mit der erwünschten
Rehydratisierung des Gewebes kann eine leichte Gewichtszunahme verbunden sein.
Allerdings ist die durchschnittliche Gewichtszunahme im Placeboarm von RCT’s
grösser als unter Hormontherapie, wie dies der PEPI-Trial zeigte (Writing group for the PEPI Trial, 1995;
Espeland et al., 1997) und auch die WHI-Studie bestätigte (Chen et al.,
2005).
3. Urogenitaltrakt.
Ein Estrogenmanel führt zu atrophischen Veränderungen im Urogenitaltrakt. Diese
und deren Folgeerscheinungen (z.B. vulvovaginale Beschwerden, Dyspareunie,
Kolpitis, Urethrozystitis) werden durch eine systemische oder lokale
Estrogentherapie gebessert. Die mit einem Estrogenmangel verbundenen
Miktionsstörungen können günstig beeinflusst werden, wobei eine objektive
Besserung der Inkontinenz nicht nachgewiesen ist (Jackson et al. 1999, IMS 2007). Zur alleinigen Therapie atrophischer
Erscheinungen im Urogenitaltrakt ist lokal appliziertes Estriol/Estradiol in
niedriger Dosierung geeignet. Bei höheren Dosierungen ist mit systemischen
Estrogenwirkungen zu rechnen.
4. Phytoestrogene. Einzelne Pflanzenextrakte können leichtere klimakterische Beschwerden bessern (Panay et al. 2007, Nelson et al. 2006, Albertazzi et al. 2004, Kreijkamp-Kaspers et al. 2004). Grundsätzlich müssen solche Wirkungen placebokontrolliert untersucht werden. Einige der Extrakte enthalten in nicht geringen Mengen estrogenwirksame Substanzen (Phytoestrogene), deren Effekte im Einzelnen nicht ausreichend untersucht sind.
5. Osteoporose. Ein Estrogenmangel verursacht einen beschleunigten Knochenmasseverlust und erhöht das Frakturrisiko. Eine sachgerechte HRT verhindert dies und senkt die Frakturrate am Wirbelkörper und am Schenkelhals signifikant um 30-40% (Cauley JA et al. 2003, Anderson GL, 2004). Das relative Risiko für Frakturen jeder Lokalisation beträgt unter der Kombination von CEE/MPA 0,76 (CI 0,69-0,83), unter CEE-Monotherapie 0,70 (CI 0,63-0,79). Dabei können einige Gestagene (z. B. Norethisteron) die Wirkung der Estrogene verstärken. Durch diese osteoprotektive Wirkung wird das Erreichen der Frakturschwelle verzögert, so dass die Gabe von Estrogenen in den ersten Jahren nach der Menopause das Mittel der Wahl zur Osteoporose-Prävention ist. In der Altersgruppe von 50-59 Jahren ist eine HRT zur Prävention von Osteoporose-bedingten Frakturen auch bei Frauen mit niedrigem Risiko wirksam, sicher und kosteneffektiv (Rossouw J. et al. 2007, Jackson RD et al. 2006, Anderson GL, 2004, Cauley JA et al. 2003) .
Niedrig- und ultra-niedrig dosierte Präparate beeinflussen den Knochenmineralgehalt und Knochenstoffwechsel günstig (Huang et al 2007), doch fehlen entsprechende prospektive randomisierte Studien zur Senkung der Frakturinzidenz. Obwohl keine direkten Vergleichsstudien mit HRT gegenüber Bisphosphonaten im Hinblick auf eine Reduzierung von Knochenbrüchen vorliegen, gibt es keinen Beweis dafür, dass Bisphosphonate oder andere anti-resorptive Behandlungen der HRT in Bezug auf Wirkung und Risikoprofil überlegen sind.
Bei älteren Frauen mit manifester Osteoporose ist eine spezifische Behandlung erforderlich (z.B. Bisphosphonate, Raloxifen, Strontiumranelat, Teriparatid), deren Langzeiteffekte jedoch noch nicht hinreichend untersucht sind.
Körperliche Aktivität und eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D (Tagesbedarf inklusive Ernährung: 1500 mg Kalzium, 800 I.E. Vitamin D) sind entscheidende Voraussetzungen für einen normalen Knochenstoffwechsel.
6. Koronare Herzerkrankungen. In den ersten 5 bis 10 Jahren nach der Menopause führt der Estrogenmangel zu einer beschleunigten Entwicklung der Atherosklerose, so dass schliesslich 55% der Frauen betroffen sind (Kiechl & Willeit 1999). Übergewicht und Adipositas verursachen bei vielen postmenopausalen Frauen ein metabolisches Syndrom, welches über die Insulinresistenz und eine chronische Hyperinsulinämie sowie Bluthochdruck diesen Effekt verstärken. Durch ihren Einfluss auf die Gefässwand und den Fettstoffwechsel wirken Estrogene bei frühzeitigem Therapiebeginn ("window of opportunity") der Atheroskleroseentwicklung entgegen (Manson et al. 2007). Bei einem Therapiebeginn im Alter < 60 Jahren fanden sich in der WHI-Studie unter Estrogenen signifikant weniger verkalkte Plaques in den Koronararterien als bei Frauen unter Placebo (Intention-To-Treat-Analyse 0.58 (p = 0.03); Adhärenz von mindestens 80% 0.39 (p=0.004)) (Manson et al. 2007). In der WHI-Studie war das Risiko koronarer Herzerkrankungen in den ersten 10 Jahren nach der Menopause unter einer Estrogentherapie um 6 Fälle pro 10.000 Frauen jährlich reduziert, stieg aber bei späterem Beginn an (Rossouw et al. 2007, Hsia et al., 2006). Ähnliche Ergebnisse wurden auch in der Nurses' Health Study gefunden (Grodstein et al. 2006).
Somit haben Estrogene durch ihre endothelprotektiven und vasodilatatorischen Effekte sowie ihren vorteilhaften Einfluss auf das metabolische Syndrom günstige Auswirkungen auf das arterielle System, sofern keine schweren Schädigungen vorliegen. Dies gilt insbesondere für Frauen mit vor- und frühzeitiger Menopause mit weitgehend intakten Gefässen. Inwieweit die verschiedenen Gestagene diese Wirkungen beeinflussen, ist weitgehend ungeklärt. Bei bestehenden Herz- und Kreislauferkrankungen (Angina pectoris, Atherosklerose oder vorangegangener Herzinfarkt) kann eine neu begonnene HRT einen ungünstigen Einfluss haben, wie in der HER-Studie nachgewiesen (Hulley et al., 1998). Das Risiko von koronaren Herzerkrankungen wird in den ersten 10 Jahren der Postmenopause durch Estrogene gesenkt, während es bei späterem Beginn der HRT (> 20 Jahre nach der Menopause) zunimmt (Rossouw et al. 2007, Hsia et al. 2006, Manson et al. 2003). Der günstige Effekt einer HRT speziell bei Beginn innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause wurde auch in einer Metaanalyse von 23 RCTs nachgewiesen (Salpeter et al., 2004). Deshalb ist bei frühem Beginn mit einem präventiven Nutzeffekt zu rechnen. Dennoch ist die Primärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen keine Indikation für eine HRT, zur sekundären Prävention ist sie nicht geeignet. Treten bei Patientinnen mit vorbestehenden kardiovaskulären Problemen ausgeprägte klimakterische Symptome auf, kann eine HRT bei entsprechender internistischer Behandlung (z.B. mit Statinen) in Erwägung gezogen werden (Herrington et al. 2002).
7. Zerebrovaskuläre Erkrankungen und Zentralnervensystem.
In der WHI-Studie und in der Nurses' Health Study wurde eine geringfügige altersabhängige Zunahme des absoluten Risikos für ischämische Schlaganfälle beobachtet (Grodstein F 2008 , Hendrix SL et al. 2006), wobei inn der WHI-Studie unter Hormongabe bei den 50-59-jährigen Frauen nur 1 Fall pro 10.000 Frauen jährlich zusätzlich aufgetreten war. (Hendrix SL et al. 2006). Das Risiko ist bei Hypertonikerinnen und bei älteren sowie adipösen Frauen höher (Lobo 2007). Bei Frauen mit spätem Behandlungsbeginn (Abstand zur Menopause >10 Jahre) finden sich in der WHI unter Placebo 10 Schlaganfälle gegenüber 25 Fällen in der HRT-Gruppe (+15) / 10.000 Frauenjahre (Hendrix SL et al. 2006).
Beobachtungsstudien zeigten ein vermindertes Risiko für M. Alzheimer bei Frauen, die mit ihrer Hormon-Anwendung in der frühen Postmenopause begonnen haben (Zandi et al. 2002, Kawas et al. 1997). Möglicherweise hängt auch der kognitive Nutzen einer Estrogen-Therapie vom Alter bei Behandlungsbeginn ab (Maki et al. 2007). Beweise aus prospektiven randomisierten Studien stehen jedoch für beide Hypothesen noch aus.
8. Venöse thromboembolische Erkrankungen.
Das jährliche Basisrisiko venöser Thromboembolien beträgt im Alter von 50 Jahren 5 Fälle pro 10.000 Frauen und steigt mit 60 Jahren auf 13 Fälle pro 10.000 an. Die vorliegenden epidemiologischen Daten weisen auf eine Erhöhung des relativen Risikos unter der HRT hin. In der Altersgruppe von 50-59 Jahren wurden in der WHI-Studie 2 zusätzliche Fälle pro 10.000 Frauenjahren beobachtet (Cushman et al. 2004). Das Risiko ist vor allem zu Beginn der Therapie erhöht und steigt altersabhängig an. Sind in der Eigen- und/oder Familienanamnese Hinweise auf eine Thrombophilie gegeben, kann eine HRT das Thromboserisiko erheblich steigern. Offenbar ist diese Zunahme bei transdermaler Applikation (auch bei Risikogruppen) geringer oder nicht gegeben (Canonico et al. 2008). Bei sachgerechter Thromboseprophylaxe besteht keine Notwendigkeit, vor Operationen die HRT abzusetzen.
9. Protektion des Endometriums.
Eine längerfristige, alleinige Estrogeneinwirkung auf das Endometrium ist dosisabhängig mit einem erhöhten Risiko einer Hyperplasie bzw. eines Karzinoms verbunden (Million Women Study Collaborators 2005, Wells et al. 2002, Weiderpass et al. 1999). Deshalb ist bei Frauen mit intaktem Uterus eine zusätzliche adäquate Gestagengabe als einzige Indikation zur Protektion des Endometriums indiziert.
In der perimenopausalen Übergangsphase kommt es bei fehlender oder unzureichender Corpus-luteum-Funktion sporadisch zu erhöhten Estrogenspiegeln. Hier empfiehlt sich eine zyklische Gestagengabe zur Verhinderung einer Endometriumhyperplasie und damit zur Prävention des Korpuskarzinoms. Aus den gleichen Gründen ist ein regelmässiger Gestagenzusatz von ausreichender Dosis und Dauer zur Estrogentherapie notwendig (Wells et al. 2002, Weiderpass et al 1999). Dazu ist auch die Einlage eines gestagenhaltigen IUS geeignet (Raudakoski et al. 2002). Bei der kontinuierlich-kombinierten Therapie mit niedrigen Estrogendosen reichen geringere Dosen eines synthetischen Gestagens zur Protektion des Endometriums aus (Sturdee 2008, Wells et al. 2002, Weiderpass et al 1999). Dagegen scheint der orale oder transdermale Zusatz von Progesteron nicht ausreichend wirksam zu sein, um den erhöhten estrogenabhängigen Anstieg des Endometriumkarzinomrisikos zu verhindern, wobei noch nicht geklärt ist, ob eine unzureichende Dosis bzw. Applikationsweise die Ursache ist (Chabbert-Buffet et al., 2009). Uterus myomatosus und Endometriose sind keine absoluten Kontraindikationen für eine HRT.
Sowohl in der Perimenopause als auch unter einer Estrogentherapie lässt sich ein zuverlässiger Schutz vor einer Endometriumhyperplasie nur durch eine regelmässige Gestagenentzugsblutung oder eine gestageninduzierte Atrophie des Endometriums erreichen. Bei zyklischer Behandlung sollte das Gestagen in adäquater Dosierung über mindestens 12 Tage pro Monat gegeben werden. Ultra-niedrige Präparate garantieren eine zuverlässige Blutungskontrolle (Sturdee et al. 2008).
10. Risiko des Mammakarzinoms.
Sexualsteroide sind keine Karzinogene. Sie können aber das Wachstum von hormonabhängigen Tumoren beeinflussen. Gestagene verstärken die estrogenabhängige Proliferation des Brustdrüsengewebes.
Der Einfluss der HRT auf das Mammakarzinomrisiko wird weitgehend vom Körpergewicht bzw. BMI der Frauen bestimmt, denn eine Erhöhung des Brustkrebsrisikos wird nur bei Frauen mit Normalgewicht (BMI <25 kg/m2) nach längerer Einnahmedauer beobachtet. Bei unbehandelten adipösen Frauen ist das Brustkrebsrisiko auf das 2- bis 3-fache erhöht (Morimoto et al. 2002, Lahmann et al.2003). Bei Frauen mit Übergewicht (BMI >25 kg/m2) oder Adipositas (BMI >30 kg/m2) führt die HRT zu keiner weiteren Zunahme, möglicherweise sogar zu einer Redukation des Brustkrebsrisikos (Collaborative Group 1997; Schairer et al. 2000; Kuhl 2005). Folglich hängt bei einer Studie über den Einfluss der HRT auf das Brustkrebsrisiko das Ergebnis von dem Anteil der Frauen mit Übergewicht oder Adipositas ab (Kuhl & Wiegratz 2008).
Darüber hinaus ist die Gewichtszunahme zwischen dem 18. Lebensjahr und dem Eintritt der Menopause ein wichtiger Faktor für das Brustkrebsrisiko. Eine prospektive Studie des NIH zeigte, dass die Zunahme des Brustkrebsrisikos auf Grund einer Gewichtszunahme durch eine HRT verhindert wird (Ahn et al. 2009). In der WHI-Studie führte die Estrogen-Monotherapie bei Frauen mit ausreichender Compliance sogar zu einer signifikanten Senkung des Brustkrebsrisikos, insbesondere für duktale Karzinome (Stefanick et al. 2006).
Da es unwahrscheinlich ist, dass hierbei ein direkter Effekt der Estrogene auf das Mammakarzinom eine Rolle spielt, sind als Ursache dieses Phänomen metabolische Wirkungen der Estrogene anzunehmen. Da 80% der betroffenen postmenopausalen Frauen übergewichtig oder adipös waren, kommt in erster Linie das metabolische Syndrom in Frage, dessen wichtigstes Kriterium die Insulinresistenz ist. Die dadurch verursachte chronische Hyperinsulinämie stellt einen ausgeprägten Stimulus für das Wachstum des Mammakarzinoms dar (Gunter et al. 2009; Goodwin et al. 2002; Gupta et al. 2002; Lawlor et al. 2004; Kuhl & Wiegratz 2008b). Dabei korreliert der Insulinspiegel signifikant mit dem BMI (Goodwin et al. 2002; Goodwin et al. 2009). Bei Frauen mit Estrogenmangel führt die HRT zu einer Besserung der Insulinsensitivität und zu einem Abfall der erhöhten Insulinspiegel. Dies ist mit einer Reduktion des erhöhten Brustkrebsrisikos verbunden (Gunter et al. 2009). Dies könnte erklären, warum sich unter Monotherapie mit CEE in der WHI kein Anstieg des Brustkrebsrisikos fand (Stefanick 2006, Anderson 2004).
Unter einer Estrogen/Gestagen-Kombination wurde in der WHI Studie ein Anstieg des Mamma-karzinomrisikos nur bei Frauen mit einer hormonalen Vorbehandlung beobachtet (Anderson et al. 2006, Chelebowski 2003). Da in dieser Studie der Anteil der übergewichtigen und adipösen Frauen sehr hoch war (70%), führte der protektive Effekt der HRT vor Beginn der Studie dazu, dass in der Placebogruppe - im Gegensatz zur Placebogruppe ohne vorherige HRT - kein Anstieg des Brustkrebsrisikos beobachtet wurde, so dass es sich bei der errechneten Zunahme des Risikos um einen Selektionsfehler handeln könnte (Kuhl 2004).
Da nur sehr wenige solide HRT-Studien über eine Dauer von mehr als 5 Jahre durchgeführt wurden, und da sich die dabei verwendeten Therapieschemen zum Teil stark unterscheiden, sind die heute vorliegenden Daten zur Langzeitanwendung einer HRT und zur Bedeutung der Gestagene widersprüchlich. Für die Klinik folgt daraus, dass jede Langzeitgabe (> 5 Jahre) von Hormonen, auch einer Estrogenmonotherapie (Chen et al. 2006), einer klaren Indikation bedarf, und alle Frauen unter HRT, ob mit oder ohne Gestagenzusatz, über eine mögliche Risikoerhöhung aufgeklärt werden müssen. Auf der Basis der WHI-Daten liegt diese Risikoerhöhung jedoch im Promillebereich und ist damit wesentlich geringer als bei Vorliegen anderer Risikofaktoren, insbesondere der Adipositas.
Der bei Frauen unter einer langfristiger Therapie mit Estrogen-Gestagen-Kombinationen gefundene geringe Anstieg der Mammakarzinom-Inzidenz ist in den meisten Studien mit einer reduzierten Mortalität verbunden (Bush et al. 2001, Schuetz et al. 2007, Grodstein et al. 1997, Willis et al. 1996, DiSaia et al. 2000). Unterschiede zwischen den verschiedenen Estrogenen und Gestagenen bzw. auch zwischen den Applikationsformen hinsichtlich ihres Einflusses auf das Mammakarzinomrisiko sind nicht bewiesen. Bisher gibt es dazu nur sehr wenige Hinweise aus Beobachtungsstudien, die auf solche Möglichkeiten hinweisen (de Lignieres et al., 2002; Fournier et al. 2008, Fournier et al 2005, Lyytinnen et al. 2009, Opatrny et al. 2008). Nachdem frühere Publikationen der E3N-Studie einen günstigeren Effekt von Progesteron und Dydrogesteron postuliert hatten (Fournier et al. 2008, Fournier et al 2005), konnte diese Annahme in einer kürzlich veröffentlichten Arbeit für eine Anwendungsdauer von > 5 Jahren nicht mehr aufrecht erhalten werden (Fournier et al 2009).
In zwei randomisierten plazebokontrollierten Studien wurde gefunden, dass bei älteren Frauen eine Behandlung mit Tibolon das lobuläre Mammakarzinomrisiko reduziert (Cummings et al. 2008), jedoch das Rezidivrisiko bei Brustkrebspatientinnen erhöht (Kenemans et al. 2009). Für die Indikation einer langfristigen Hormonsubstitution müssen die Vorteile gegenüber möglichen Risiken abgewogen werden.
Der Verlauf der Brustkrebs-Inzidenz nach Abbruch der WHI ist äußerst widersprüchlich und vermutlich multifaktoriell bedingt, so dass sich kein Kausalzusammenhang mit dem allgemeinen Rückgang der HRT-Einnnahme seit 2002 ableiten lässt. In einigen Staaten der USA wurde ein Rückgang gefunden, der allerdings bereits vor 2002 einsetzte (Hausauer et al. 2009, Kurian AW et al. 2009, Ravdin et al. 2007), in ändern Ländern wie England oder Norwegen fand sich jedoch im gleichen Zeitraum kein Abfall der Inzidenz an Brustkrebs k. Insgesamt steigt die Brustkrebsrate in Europa seit 2004 auf Basis von Auswertungen für 25 EU-Länder eher weiter an, und ein Vergleich zwischen den USA und Europa ergab stark differierende Daten (Mueck &Wallwiener 2007).
Nach behandeltem Mammakarzinom ist eine HRT kontraindiziert. Ob in begründeten Fällen eine HRT durchgeführt werden kann, muss nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Analyse und entsprechender Aufklärung der Patientin individuell entschieden werden (Holmberg & Anderson 2004, von Schoultz & Rutqvist 2005). In diesen Fällen sollten Gestagene möglichst zurückhaltend eingesetzt werden (Hershman et al 2009, Antoine et al. 2007, Baber et al. 2005, Pritchard 2002, Chlebowski & McTiernan 1999).
Andere Neoplasien, wie auch das Zervixkarzinom, stellen keine absolute Kontraindikation für eine HRT dar.
11. Sexualität und Lebensqualität.
Die Wahrnehmung der Menopause und ihr Einfluss auf die Lebensqualität schwanken zwischen verschiedenen Regionen und Kulturen stark (Tan et al. 2005, Haines et al. 2005, Haines et al 2003, Obermeyer et al. 2000, Oldenhave et al. 1993, Lock M & Kaufert P 2001, Lock 1986). Die Lebensqualität kann unter verschiedenen Aspekten wie medizinischen, kulturellen oder sozialen Parametern definiert werden, bleibt aber immer subjektiv geprägt, was ihre Erfassung in RCT's erschwert. Zudem wird auch die Entscheidung für eine Behandlung zur Verbesserung der Lebensqualität subjektiv beeinflusst: so wird diskutiert, ob eine HRT zur Verbesserung der Lebensqualität erst bei massiver Beeinträchtigung gerechtfertigt ist oder ob eine subjektiv wahrgenommene Reduktion von Lebensqualität und Sexualität als Indikation für eine HRT ausreicht.
Die WHI-Studie war zur Bewertung der HRT hinsichtlich Lebensqualität und Sexualität ungeeignet, da nur 11% der teilnehmeden Frauen an relevanten klimakterischen Beschwerden (mittelschweren oder schweren Hitzewallungen) litten, sodass die Power für einen Vergleich der Lebensqualität zwischen Therapie- und Placebogruppe nicht ausreichte. Die WHI ist daher für die typische peri- und postmepauale Frau, die eine Menopausensprechstunde wegen klimakterischer Beschwerden mit Beeinträchtigung der Lebensqualität aufsucht, nicht repräsentativ. Demgegenüber zeigen Beobachtungsstudien, dass sich Lebensqualität und Sexualität unter einer HRT (Wiklund et al. 1993, Modelska et al. 2004, Syriala et al. 1998) oder Tibolon (Kenemans et al. 2005) verbessern. In der SWAN-Study fand sich bei denjenigen Frauen, die bei Studienbeginn an vasomotorischen Beschwerden litten, unter einer HRT eine signifikante Verbesserung der HRQOL (Health related Quality of Life) (Hess et al., 2008). Pitkin et al. (2007) kamen in einer Studie bei symptomatischen früh-postmenopausalen Frauen zum gleichen Schluss. Die WISDOM-Study, ein RCT, zeigte, dass auch eine mehrere Jahre nach der Menopause begonnene kombinierte HRT noch die HRQOL verbessern kann (Welton et al., 2008). Modelska et al. (2004) hatten beobachtet, dass die endogenen Estradiol-Werte einen wichtiger Faktor zur Voraussage des Auftretens von Sexualstörungen bei noch sexuell aktiven älteren Frauen darstellen. Dies kann die Wirksamkeit einer alleinigen HRT bei sexueller Dsyfunktion nach der Menopause erklären. Eine zusätzliche Gabe von Androgenen zur Verbesserung der Sexualität ist nur bei einem Androgenmangel sinnvoll (Shifren et al. 2006, Bachman et al. 2002).
Es gibt keinen Beleg dafür, dass sogenannte natürliche Präparate die Lebensqualität signifikant verbessern.
12. Hormontherapie. Zur Therapie sind Estrogene wie Estradiol und dessen Ester sowie konjugierte Estrogene geeignet. Estriol hat bei üblicher Dosierung keine oder nur eine geringe proliferative Wirkung auf das Endometrium und keinen ausreichenden Effekt auf Knochen- und Fettstoffwechsel. Ethinylestradiol ist wegen seiner starken hepatischen Wirkung und der damit verbundenen ungünstigen Nebenwirkungen zur HRT nicht zu empfehlen. Bezogen auf Hitzewallungen ist Ethinylestradiol weniger wirksam, deshalb können in der Perimenopause unter der Anwendung niedrig dosierter Ovulationshemmer Hitzewallungen auftreten.
Eine HRT sollte mit einer möglichst niedrigen Estrogendosis begonnen und bei Bedarf angepasst werden, um Nebenwirkungen und Risiken möglichst gering zu halten. Dies gilt auch für die Gestagene. Als neue Definitionen der Estrogendosierung wurde on einer Arbeitsgruppe der IMS (Birkhäuset et al. 2008) vorgeschlagen:
Bei korrekter Anwendung einer HRT (individualisierte Indikation,
Einsatz der niedrigsten wirksamen Dosis, Anwendung nicht länger als indiziert)
überwiegt bei jungen Frauen der Nutzen die Risiken (Beginn der HRT vor dem 60.
Altersjahr oder innerhalb der ersten 10 Jahren nach Eintritt der Menopause).
Jede HRT sollte erst nach genauer und im Patientinnen-Dossier dokumentierter
Information unter Berücksichtigung der persönlichen Nutzen-/Risiko-Bilanz
begonnen werden, wobei die Indikation regelmäßig zu überprüfen ist (mindestens
einmal jährlich).
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